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Die Tiden


(BK)  Wenn der Norddeutsche von Tiden spricht, dann meint er die Gezeiten, also Ebbe und Flut. Das Hauptmerkmal des Gezeitenphänomens ist das zweimalige Steigen (Höchststand = Flut) und das Sinken (Tiefststand = Ebbe) des Meeresspiegels in einem durchschnittlichen Intervall von 24 Stunden und 50 Minuten.
Beobachten wir den Mond von Tag zu Tag während seines Meridiandurchlaufs (Höchststand genau im Süden) und messen die Durchgangszeiten, dann stellen wir ebenfalls ein Zeitintervall von 24 Stunden und 50 Minuten fest. Es scheint also eine Verbindung zwischen dem Mond und den Gezeiten zu geben!
Der Mond übt auf die Erde und die Erde auf den Mond eine Anziehungskraft (Gravitationskraft) aus. Lassen wir die Bewegung des Mondes um die Erde einmal ruhen, dann ergibt sich folgendes Bild:
Zur Erklärung: Die Anziehungskraft zwischen zwei Körpern nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab (verdoppelt sich die Entfernung, dann ist die Anziehungskraft nur noch 1/4 so groß wie vorher). Der Mond übt auf den Punkt S (s. Bild) eine größere Anziehungskraft aus, als auf den Punkt Z. Dadurch ergibt sich im Punkt S relativ zu Z eine Kraft, die von der Erde zum Mond gerichtet ist. Im Punkt W ist die Anziehungskraft kleiner als im Punkt Z. Die dort wirkende Kraft ist relativ zu Z ebenfalls von der Erde und vom Mond weg gerichtet. Das hat zur Folge, dass die Masse genau auf ihn zu bzw. von ihm weg gezogen wird. Das gilt natürlich besonders für das Wasser. Wir sprechen von einer sog. „differentiellen Anziehung“. Das Wasser steigt also genau unter dem Mond und exakt auf der gegenüberliegenden Seite an. In den Zwischengebieten sinkt der Wasserspiegel. Somit passiert ein Ort auf der rotierenden Erdoberfläche zweimal innerhalb von 24 Stunden und 50 Minuten einen Flutberg (50 Minuten mehr als der Tag, weil sich der Mond pro Tag knapp 13 Grad weiter um die Erde bewegt hat).
Durch die schnelle Rotation der Erde versucht der Meeresgrund das Wasser mitzunehmen und verlagert dadurch den Flutberg in Umdrehungsrichtung. Für einen bestimmten Hafen wird das mittlere Intervall zwischen dem Eintreten der Flut und dem Meridiandurchgang des Mondes Hafenzeit genannt. Im offenen Meer kann der
Unterschied zwischen Ebbe und Flut bei 70 cm, in trichterförmigen Buchten bei sogar 12 Metern liegen. Sehr empfindliche Messungen haben ergeben, dass sich der Erdboden unter dem Mond um rund 20 cm anheben kann.
Aber nicht nur der Mond, sondern auch die Sonne übt eine Anziehungskraft auf die Erde aus. Zwar ist die Sonne rund 400 mal weiter von der Erde entfernt als der Mond, aber ihre Masse ist erheblich größer, wodurch die gezeitenerzeugende Wirkung der Sonne etwa halb so groß wie die des Mondes ist. Die wahren Gezeiten sind also die Summe beider Einflüsse.
Bei Neu- und Vollmond wirken beide Kräfte in eine Richtung. Wir reden dann von Springfluten. Befindet sich die Erde dann auch noch in Sonnennähe (Anfang Januar), dann kann es zu besonders großen Springfluten kommen.
Haben wir Halbmond, dann wirken die Gezeitenkräfte von Sonne und Mond gegeneinander, was zu Nippfluten führt.
Wenn ich vorher von dem Mitnehmen des Flutberges durch die schnell rotierende Erde gesprochen habe, dann kann man sich vorstellen, dass es zu Reibungen des Wassers am Meeresboden kommt. Hierdurch wird sich im Laufe der Zeit die Rotation (tägliche Umdrehung) der Erde verlangsamen. Der Erdtag wird sich also verlängern!



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